Ein Selbstversuch von Redakteurin Susanne Siebels.
Veganer, Vegetarier oder Flexitarier?
„Muddi, können wir noch kurz bei McDonald‘s halten?“
Bis vor ein paar Monaten bremste ich als gute Muddi mein Auto sofort ab und ließ mir am Drive-In Schalter auch den einen oder anderen Burger durch‘s Fenster reichen.
Und als mir im letzten Sommer eine Bekannte von Attila Hildmann erzählte, musste ich erstmal lernen, dass es sich dabei nicht um einen Nachfahren des legendären Hunnenkönigs handelt, sondern um den so genannten Vegan-Guru, dessen Rezepte die mehr als 1 Millionen Veganer in Deutschland zu ganz neuen kulinarischen Höhenflügen bringen. Kurze Zeit später lernte ich den ersten Veganer kennen – war alles noch ein bisschen seltsam, was er mir erzählte, aber so langsam wurde ich neugierig. Einige Kilos an Gewicht hätte er verloren und er sei voller Energie – vom Tierschutz ganz zu schweigen. Noch eine Dokumentation im Fernsehen über Massentierhaltung, und ich war infiziert: „Ab heute lebe ich vegan!“ Na ja, zumindest wollte ich es versuchen.
Hoch motiviert machte ich mich erst einmal mit den neuen Lebensmitteln vertraut. Wo finde ich was? Was darf ich überhaupt noch essen und was nicht? Puh, das war am Anfang gar nicht so einfach. Aber mit der Zeit wurde es leichter, ich hatte meine verschiedenen Geschäfte und Lebensmittel für mich gefunden. Der Verzicht auf Käse allerdings war wirklich schwer. Attila Hildmann schreibt in einem seiner Bücher, er wäre als Kind vermutlich in einen Topf mit Käsefondue gefallen. Ich fühlte mich verstanden, so ging es mir auch. Es gab zwar das eine oder andere vegane Produkt, das wie Käse aussah, aber der Geschmack … nun ja, es ging so.
Als mich eines Tages niemand dabei beobachtete, schmierte ich mir zuhause eine Scheibe Brot mit Butter und fettigem Gouda – ein Traum!! Sofort plagte mich das schlechte Gewissen, aber es war einfach zu lecker. Und vegetarisch zu leben, sei ja schließlich besser als nix, dachte ich mir. Das nächste Problem tauchte auf, als ich mit Freunden das erste Mal zum Essen ging. Die Speisekarte des Restaurants wies zwar einige vegetarische Gerichte aus, für Veganer war leider nichts dabei. Haben die hier die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt oder war ich außerhalb der Großstädte wirklich so eine Exotin? Fast schämte ich mich, als ich den Kellner fragte, ober er vielleicht … wenn es keine Umstände macht … es wäre auch völlig egal was … erstaunlicherweise war es dann aber überhaupt ein Problem. Ein bisschen Gemüse in Olivenöl – und ich war glücklich. Die Blicke und Anmerkungen meiner Freunde ignorierte ich mehr oder weniger einfach. Sätze wie „Einmal kannst du heute doch eine Ausnahme machen“ hörte ich fast täglich. Und wenn ich fast täglich eine Ausnahme machen würde, was bliebe dann noch von meinen guten Vorsätzen?
Dann kam er aber doch, der Tag der großen Ausnahme. Es war Winter und so beharrlich ich all den leckeren Plätzchen (mit Eiern gebacken oder bestrichen) meiner Kollginnen aus dem Weg ging, beim ersten Grünkohlessen wurde ich schwach. Grünkohl ohne Kohlwurst – für mich undenkbar. Und ja, ich habe es genossen. An mein schlechtes Gewissen hatte ich mich ja durch gelegentliche Käse-eskapaden inzwischen gewöhnt. Und am Tag nach dem Grünkohlessen war ich auch wieder ganz eisern. Lupinengeschnetzeltes, Seitanschnitzel der Tofu-Burger sind auch echt lecker.
Mein Fazit: Ich werde mich auch in Zukunft überwiegend vegan ernähren, mir aber auch in Zukunft die eine oder andere Ausnahme gönnen. Veganer mit Schwächen halt … damit zähle ich zur großen Gruppe der Flexitarier und ja, damit kann ich gut leben. Und wenn es das nächste Mal beim großen, gelben M heißt: „Muddi …?“ halte ich auch gerne wieder an.
Lesen Sie dazu unseren Beitrag: http://verbraucherschutz.de/vegan-woher-stammt-der-name/