Verbraucherschutz.de Interview – Der Abgeordnete der Fraktion Die Linke im Landtag Sachsen, Dr. Volker Külow, ist seit Jahren ein Kämpfer für Bürgerrechte. Auch das Thema Verbraucherschutz ist für ihn ein großes Anliegen – neben seinen sonstigen Interessensgebieten, beispielsweise in der Kulturszene.
Volker Külow ist neben seiner Funktion als Parlamentarier im Landtag Sachsen auch Chef der DIE LINKE Leipzig und kämpft Ende August im Leipziger Norden, im Wahlkreis 30 in den Stadtteilen Schleußig, Altlindenau, Neulindenau, Plagwitz, Lindenau, Leutzsch, Böhlitz-Ehrenberg und Lützschena-Stahmeln um ein Direktmandat in den Landtag Sachsen. Die LINKE gehört mit einem Wähleranteil von rund 20% traditionell zu den starken sächsischen politischen Kräften.
Im Gespräch mit Gunda Lauckenmann vom Verbraucherschutz.de erklärt Volker Külow, warum ihm das Thema Internet, Betrug im Internet sowie Verbraucherschutz eine Herzensangelegenheit ist.
Gunda Lauckenmann, Pressesprecherin Verbraucherschutz.de: Das Thema Verbraucherschutz wurde am 17. Dezember 2013 per Organisationserlass dem Ministerium für „Justiz“ zugeordnet, kurz dem BMJV. Vorher gehörte es zum Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, kurz BMELV. Wie beurteilen Sie diesen politischen Kompetenzumbau?
Dr. Volker Külow, Landtagsabgeordneter die LINKE in Sachsen: Natürlich ist das ein großer Paradigmenwechsel, über den man sicherlich auch trefflich und ausführlich streiten kann und streiten sollte.
Galt vor zehn Jahren unter der damaligen Bundesverbraucherschutz-Ministerin Renate Künast, sich stark inhaltlich mit den Fragen von Verbraucherschutz beispielsweise im Lebensmittelrecht auseinander zu setzen – Stichworte Gütesiegel für Lebensmittel oder eine transparente Preisauszeichnung – verschiebt sich das Thema vor allem auf Grund der von Jahr zu Jahr größeren Bedeutung des Internets immer mehr in Richtung Recht, also der Justiz.
Deshalb kann ich dem durchaus etwas abgewinnen, wenn man hier nun sagt, das Verbraucherschutz-Ministerium an das Bundesjustizministerium anzusiedeln. Dennoch ist mir der Hinweis wichtig: Es gibt mittlerweile Hunderttausende seriöse und sehr gute Internet-Unternehmen, auch in Sachsen, die ein wichtiger Arbeitsplatz-Motor sind und den Bürgern helfen, ihren Alltag besser zu bewältigen. Das Internet gibt vielen Verbrauchern eine wesentlich höhere Souveränität in der Entscheidungsfindung, als in früheren Jahren.
Dennoch stimmt auch das: Weltweit nimmt die Internetkriminalität zu. Als Stichworte nenne ich: Datenklau und Identitäts-Klau. Diese Themen sind juristisch so komplex, dass es Sinn macht, hier eine größere Nähe zum Justizministerium zu finden.
Verbraucherschutz.de: Dennoch ist doch der Verbraucherschutz in Bereichen wie der Lebensmittelsicherheit nach wie vor ein hohes Agenden-Thema!
Dr. Volker Külow: In der Vergangenheit lag ein Schwerpunkt darin, die Verbraucherinteressen im Bereich der Lebensmittelindustrie zu stärken und die Qualität gehandelter Lebensmittel für den Verbraucher einfacher erkennbar zu machen. Deshalb wurden unzählige Gütesiegel auch auf EU-Ebene eingeführt oder im Bereich der Preisauszeichnungen wurde für mehr Transparenz gesorgt.
Besonders die Auszeichnung von gesundheitsschädlichen Lebensmitteln wurde in den vergangenen zehn Jahren erfolgreich vorangetrieben. Es stimmt, dass auch hier noch viel zu tun bleibt. Man denke nur an die klassischen Lebensmittelskandale, die alle paar Jahre Deutschland erschüttern. Ich nenne nur Gammelfleisch oder Pferdefleisch, welches statt des versprochenen Rindfleisches in die Regale der Supermärkte gelangte.
Die auf den Weg gebrachten Schutzrechte für Verbraucher verhindern allerdings keinen Betrug am Verbraucher. Daran wird sich auch nichts ändern, nur weil dieser Bereich jetzt dem Justizministerium zugeordnet wurde. Verbraucherschutz und Strafverfolgung bleiben nach wie vor getrennte Bereiche und das ist auch richtig so.
Verbraucherschutz.de: Die Themen die an uns als an eingetragenen Verein herangetragen werden, stammen zu einem Großteil aus dem Bereich des Internets. So vertreiben unseriöse Firmen ihre Ware über das Internet, welche der Bürger bezahlt und die Firma nie liefert. Fakt ist aber: Obwohl wir oft der Polizei Hinweise liefern, passiert einfach nichts. Das ist doch in einem Land, das sich auch politisch den Verbraucherschutz auf die Fahnen geschrieben hat, enttäuschend!
Dr. Volker Külow: Ich glaube, dass es vor allem im Bereich der kleinen Internet-Webseiten viele Anbieter gibt, die die Netz-Weite nutzen, um sich vor einem juristischen Zugriff zu schützen. Auch eine offizielle Standort-Verlagerung außerhalb Deutschlands oder der EU nutzen sich solche Webseiten-Betreiber aus.
Neben einem umfangreichen staatlichen Schutz ist es auch die Aufgabe des Staates – und damit meine ich durchaus auch der Länderregierungen – die Bürger aufzuklären rund um das World Wide Web. Ich glaube sowohl in der Schulpolitik, wie sonstigen Bildungspolitik, ist in Deutschland da noch Luft nach oben.
Verbraucherschutz.de: Dennoch tun doch die Staatsanwaltschaften häufig einfach viel zu wenig – gerade gegenüber den scheinbar nur kleinen Webseiten-Betreibern.
Dr. Volker Külow: Neben den klassischen kleinen Betrüger-Webseiten, die teils auch über Google Anzeigen oder Bing Anzeigen sich mittels werblicher Aussagen Zugang zu Verbrauchern schaffen, sehe ich vor allem einen Zuwachs an Internetkriminalität von international agierenden Banden. Ihr Ziel: Diebstahl von Identitäten, Kreditkartennummern, Missbrauch von Computern im Rahmen von kriminellen Bot-Netzwerken. Hier ist der Staat gefordert, Bürgern – Jungen wie Alten – zu helfen.
Ich glaube aber nach wie vor, dass die Masse der Internet-Anbieter seriös ist. Jetzt ist es Aufgabe der Landespolitik, auch in Bundesländern wie Sachsen, dass durch Bildung den Bürgern aufgezeigt wird, wo die Fallstricke im Netz sind. Parallel muss natürlich gegen klassische Betrüger-Webseiten vorgegangen werden.
Verbraucherschutz.de: Ein weiteres Problem ist, dass Betreiber von Betrüger-Webseiten gerne ihre Firmensitze verlagern, um in die Zuständigkeiten immer neuer Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften zu gelangen.
Volker Külow: Das entspricht auch meiner Beobachtung. Ist aber auch nichts Neues. Das gab es schon vor fünf Jahren und noch länger. Doch hat jedes föderale System seine Vor- und Nachteile. Ich bleibe dabei: Mit mehr Bildung sinkt auch die Chance auf Internetbetrug. Ergänzend müssen eben staatliche Stellen stärker miteinander arbeiten.
Allerdings ist hier die Verhältnismäßigkeit zu wahren: Bürgerliche Freiheitsrechte von über 80 Millionen Bürgern sind natürlich höher zu gewichten, als überall immer mit der staatlichen Axt Freiheitsrechte zu nehmen.
Verbraucherschutz.de: Wäre es Ihrer Meinung nach nicht nötig und möglich, eine bundesweit agierende Stelle einzurichten, an der die Strafanzeigen oder Zivilrechtsklagen gegen massenhaft betrügerisch agierende Online-Händler für die Staatsanwaltschaft aufbereitet werden? Wäre es zudem nichtdenkbar, dass die Bundesanwaltschaft organisierter Internetkriminalität entgegenwirkt?
Volker Külow: Im Idealfall erfolgt unmittelbar nach einer Strafanzeige eine Beweissicherung und dann wird seitens der Ermittlungsbehörden die Zuständigkeit festgelegt. Wir sehen jedoch, dass schon bei der Beweissicherung die Ermittlungsbehörden im Internet häufig Staatsanwaltschaften auch aus Überlastung sich häufig zurückhalten, was nicht immer angebracht ist. Menschen, die beispielsweise Stalking-Opfer sind, muss schnell geholfen werden. Die Bundesanwaltschaft nun auch mit lokaler Internetkriminalität zu belasten, halte ich allerdings für den falschen Weg. Die Justiz muss vor Ort arbeiten und auch funktionieren. Deshalb haben wir ein föderales Staatensystem.
Verbraucherschutz.de: Ein großes Problem stellt der vermehrte Handel mit Daten dar. Das führt auch dazu, dass immer mehr Spam- oder Phishing-Mails an die Verbraucher verschickt werden.
Volker Külow: Zunächst einmal gibt es ja auf europäischer Ebene klare Regeln und auch Schutzfunktionen für Verbraucher. Wer sich natürlich wahllos auf allen möglichen Seiten für Gewinnspiele anmeldet, muss sich nicht wundern, wenn er in die Spam-Maschinerie gerät. Im Gegenzug gilt natürlich auch:
Wer Newsletter erhält, welche er nicht bestellt hat, hat das Recht beim Versender sich abzumelden und nachzufragen, wie es kommen kann, dass man eine Mail erhält. Ich denke, dass gerade die Partei Die Linke in Deutschland hier sehr viel Positives zum Schutz der Bürger im Internet beigetragen hat. Doch nicht jeder Newsletter ist Spam. Mir ist es wichtig, dass man hier auch unterscheidet.
Verbraucherschutz.de: Selbst wenn eine Staatsanwaltschaft über Jahre ermittelt hat, und dann der Vorgang einem Gericht übergeben wird, dauert es Jahre, bis das Gericht tätig wird. Was eben auch zur Folge hat, dass die betreffenden Firmen weiter agieren und den Verbraucher um sein Geld betrügen. Die deutsche Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel (CDU) hat einmal gesagt, dass in Zukunft Gerichte schneller Entscheidungen fällen sollen. Hiervon ist nicht viel zu merken.
Volker Külow: Fragen Sie doch bitte bei Bundeskanzelerin Frau Dr. Angela Merkel nach dem Stand ihres Versprechens. Ich kann es nachempfinden, wenn Bürger, denen Unrecht getan worden ist und versuchen vor Gericht ihr Recht zu erstreiten, das Gefühl haben, dass einige Verfahren einfach zu lange dauern.
Verbraucherschutz.de: Die Linken setzen sich für Gleichheit der Bürger ein, auch für Schutzrechte im Internet. Warum machen Sie nicht mehr Druck?
Volker Külow: Ohne Die Linke sowohl auf Bundesebene, wie auf Landesebene oder in meinem Wahlkreis Leipzig, würde es viele Errungenschaften im Verbraucherschutz in Deutschland und der EU nicht geben. Für uns ist das ein sehr wichtiges Thema.
Verbraucherschutz.de: In Sachsen, aber auch in vielen anderen Bundesländern in Deutschland, treiben viele Schlüsseldienste ihr Unwesen: Mit Abzocke von Bürgern durch völlig überzogene Rechnungen. Gerade die persönlichen vier Wände sollten doch auch für die Politiker von Interesse sein!
Volker Külow: Da stimme ich Ihnen absolut zu. Die Linke setzt sich auch in Sachsen seit vielen Jahren gegen jegliche Abzocke von Bürgern ein – sei es von privaten Unternehmen oder auch durch maßlose Aktionen des Staates. Ich sehe eher das Problem, dass die Bundesregierung in Berlin hier bislang zu wenig tätig geworden ist.
Verbraucherschutz.de: In wieweit kann die Politik zum Beispiel auf die örtlichen Telefonbuch-Betreiber einwirken, dass es Schlüsseldiensten vorgeschrieben wird, dass sie sich nur mit handelsrechtlichen Bestätigungen erlaubt ist, sich in Telefonverzeichnissen zu listen. Immerhin sind Telefonverzeichnisse für viele Verbraucher immer noch der wichtigste Weg, um eine örtliche Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Nach Studien beispielsweise des Versicherungsportals geld.de nutzen aber viele betrügerische Anbieter von Schlüsseldiensten gerade Telefonverzeichnisse für irreführende Werbung.
Volker Külow: Das sind leider Dinge, die die Bundespolitik angehen muss. Auf Landesebene ist auch das ein klassisches Bildungsthema: Aufklären, aufklären, aufklären. Ich bin selbstverständlich dafür, dass Bürger vor Schwarzen Schafen geschützt werden.
Verbraucherschutz.de: Das Ministerium für Justiz hat im Jahr 1949 seine Tätigkeit mit rund 80 Beschäftigten aufgenommen und verfügt gegenwärtig über 652 Bedienstete. Was sagen Sie zu dieser Entwicklung?
Volker Külow: Für die Bürger ist es am wichtigsten, dass sie Rechtssicherheit finden. Man kann kein 80 Millionen Bürger umfassendes Land mit einem Justizministerium führen, welches nur 80 Angestellte hat. Die Welt ist komplexer geworden. Wir sind eingebettet in unzählige internationale Abkommen: Das reicht von Menschenrechtserklärungen bis hin zu weltweit gültigen Zoll- und sonstigen Wirtschaftsabkommen.
Deshalb bin ich davon überzeugt: Es kommt nicht primär darauf an, wie viele Mitarbeiter eine Behörde hat, sondern wie effektiv sie dazu beiträgt, dass ein Land im Sinne der Freiheit und des Wohlstandes der Bürger agiert. Mir ist es lieber, es gibt mehr Staatsbeamte, die das gewährleisten, als zu wenige, die sich selbst verwalten.
Natürlich gilt auch: Wir brauchen wirtschaftliche Stabilität und Wachstum. Hier sind staatliche Aufsichtsbehörden wichtig. Doch es gilt auch: Man darf Behörden in keinem System der Welt zur Repression der Bürger nutzen.
Die wichtigste Aufgabe ist aber: Behörden müssen den vielen Schwächsten der Gesellschaft zu ihrem Recht verhelfen. Ich denke an die vielen Bedürftigen, der erst über Rechtsverfahren vor den Sozialgerichten die notwendige Unterstützung erhalten. Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass gerade hier der Mangel an Mitarbeitern und Richtern politisch gewollt ist. Auch der weite zeitliche Abstand von Straftat und Verurteilung kann nicht gut geheißen werden.
Verbraucherschutz.de: Die Verbraucherzentralen erhalten jährlich 130 Millionen Euro staatlicher Zuschüsse in Deutschland. Trotz der Steuergelder, die der Bundesverband Verbraucherzentralen erhält, müssen die Bürger auch noch für eine Beratung beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) bezahlen. Das ist doch ungerecht!
Volker Külow: Sicherlich muss man jedes Jahr aufs Neue auf staatlicher Seite rechnen und schauen, welche Vereine, die im Sinne der Verbraucher agieren, effizient arbeiten. Eine Ausweitung auf andere kleinere Organisationen im Verbraucherschutz, wie verbraucherschutz.de, kann diskutiert werden, sofern es klare Kriterien gibt, die ein Verein erfüllt, um möglicherweise auch staatlich gefördert zu werden. In jedem einzelnen Fall muss das geprüft werden.
Verbraucherschutz.de: Wie sehen Sie die Chance, dass Verbraucherschützer wie verbraucherschutz.de mit 8000 Webseitenbesuchern am Tag und circa 600 täglichen Zuschriften, staatlich unterstützt werden könnten? Hier wäre eine Förderung im Rahmen von Sonderprojekten, wie zum Beispiel der Bekämpfung von Kreditbetrügern oder der Schlüsseldienstmafia, möglich. Wir von verbraucherschutz.de haben beispielsweise das Problem, dass wir zwar für die Verbraucher kämpfen, aber fast täglich teuer von Anwälten abgemahnt werden mit dem Ziel, dass wir über Betrügerfirmen nicht mehr schreiben und Bürger nicht mehr aufklären. Das deutsche Abmahnrecht wird doch hier eindeutig missbraucht. Wir haben nicht die finanzielle Feuerkraft, um uns in jedem Fall zu wehren.
Volker Külow: Ich bin generell dafür, dass Non-Governmental Organization (NGO) die Chance erhalten sollten, im Sinne des Verbraucherschutzes sich einzubringen und auch die Chance haben sollten, staatlich gefördert zu werden. Im Bereich der Menschenrechte funktioniert das bereits sehr gut, im Bereich des Verbraucherschutzes sehe ich eine zu große Konzentration auf wenige nicht-staatliche Stellen. Das ist sicherlich ausbaufähig.
Was das deutsche Abmahnrecht anbelangt, so sehe auch ich als lokaler Politiker für Die Linke in Leipzig, aber auch im Landtag Sachsen klar die Notwendigkeit, dass man da in Berlin noch einmal rangehen sollte: Wenn Anwälte Briefe verschicken, die gleich einmal 2.500 bis 5.000 Euro Abmahngebühren von Verbraucherschutz-Seiten oder auch sonstigen redaktionellen Seiten kassieren möchten, läuft irgendwas gewaltig schief in diesem Staat. Die Linke ist zur Landtagswahl Sachsen am 31. August 2014 auch angetreten, um den Verbrauchern zu mehr Schutzrechten zu verhelfen.