Mit Abschluss des derzeit geplanten Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU hätte Deutschland schlechte Karten in der internationalen Wirtschaft. Der Handel mit Großbritannien sowie den Ländern der Eurozone würde im Schnitt um 30 Prozent sinken. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung.
Beim G8-Gipfel im nordirischen Lough Erne fiel am 17. Juni der offizielle Startschuss für die Verhandlungen zur „transatlantischen Handels- und Investitionspartnerschaft“ zwischen den USA und der EU. Ziel des Abkommens ist der Abbau von Bürokratie und Handelsbarrieren: Zölle und unnötige Regelungen sollen abgeschafft, Tarife standardisiert und der Kauf bzw.Verkauf von Gütern insgesamt erleichtert werden. Beide Akteure stehen den Verhandlungen sehr positiv gegenüber. Auch Angela Merkel geht von einem Wachstumsschub durch die Liberalisierung aus.
Hintergrund für diesen Optimismus könnte eine Studie sein, die die EU zur Abschätzung der Auswirkungen eines Freihandelsabkommens beim Centre for Economic Policy (CEPR) in London in Auftrag gab. Das Ergebnis der unabhängigen Studie sieht durchweg positive Konsequenzen sowohl für die EU als auch für die USA. So errechneten die Forscher ein durchschnittliches Mehreinkommen von 545 Euro pro EU-Bürger, amerikanische Haushalte hätten durchschnittlich sogar 655 Euro mehr zur Verfügung. Durch den Wegfall der Zölle würden Waren zudem günstiger und auch europäische Firmen profitierten davon, wenn zum Beispiel US-amerikanische Ausschreibungen für sie geöffnet würden. Die Kosten für das Abkommen sieht die Studie als gering an, da durch den Wegfall von bürokratischen Hindernissen der Handel belebt und das Wirtschaftswachstum angekurbelt würde, ohne, dass staatliche Eingriffe nötig seien. Kurzum, so fasst die EU die Resultate aus London zusammen, das Freihandelsabkommen „wäre das kostengünstigste Konjunkturpaket, das man sich vorstellen kann“.
Diese Zukunftsaussichten klingen zunächst natürlich wie Musik in Politikers Ohren. Sie sind sicherlich auch zutreffend, wenn man die EU als ein Ganzes betrachtet. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt jedoch, dass das neue Abkommen für die deutsche Wirtschaft im Einzelnen eine Gefahr bedeutet. Dies gilt vor allem für den Export: basierend auf dem jeweiligen Handelsvolumen der Staaten von 2010 stellte sich nämlich heraus, dass der deutsch-amerikanische Export zwar leicht ansteigen würde. Das Gegenteil trifft jedoch auf den Handel mit beispielsweise Großbritannien zu. Durch die geringen „natürliche[n] Handelsbarrieren (Sprache, Kultur) mit den USA“ bekäme der Handel zwischen Großbritannien und den USA einen Schub, das Handelsvolumen des deutschen Exports nach Großbritannien würde infolgedessen um mehr als 40 Prozent sinken, so die Studie.
Auch die Handelsbeziehungen Deutschlands zu Frankreich und Italien würden unter einer weitreichenden Liberalisierung leiden: Das Handelsvolumen sank in der Studie um mehr als 23 Prozent. Insgesamt sieht das Resultat der Studie fast nur Verluste für die deutsche Wirtschaft, was den Handel mit EU-Staaten betrifft.
Der Abfall des Handelsvolumens ist allerdings nicht die einzige Problematik, die sich durch ein Freihandelsabkommen mit den USA ergäbe. Sorgen machen sich vor allem die Lebensmittel-Industrie und Verbraucherschützer, beispielsweise um die Einfuhr von hormonbehandeltem Fleisch oder genmanipulierten Gemüse. Zwar hat die EU versichert, keine Kompromisse in Sachen Verbraucher- oder Umweltschutz zu machen und auch kein hormongetränktes Fleisch in europäische Supermärkte zu bringen. Verbraucherministerin Ilse Aigner erklärte jedoch erst kürzlich, dass die Einfuhr von Fleisch aus den USA durchaus in Betracht gezogen werde – um die Bedenken der Kritiker zu zerstreuen schlug sie eine Kennzeichnungspflicht vor.
Wenn wir auf unsere europäische Fleischindustrie nur der letzten 2 Jahre schauen, muss uns allen klar sein, dass das amerikanische Fleisch und Gemüse plötzlich zu holländischen (oder anderen) wird und auf wundersame Weise seine Kennzeichnung verliert. Der Verbraucher kann sich nicht entscheiden, da er keine Informationen hat. Ich esse aus Misstrauen auch keine BIO-Produkte aus China. Frau Aigner sollte erst einmal zuhause Ordnung schaffen, dann kann sie sich an den amerikanische Kommerz wagen.