Sterben in Deutschland, ein Kommentar von Gunnar Grau, Geschäftsführer von GDS Bestattungen in der FAZ:
Der starre Friedhofszwang der deutschen Gesetzgebung verwehrt auch noch im 21. Jahrhundert Verstorbenen und deren Angehörigen eine individuell wählbare Ruhestätte und die damit verbundene Trauerbewältigung.
Charles de Gaulle sagte einst, am Umgang mit den Verstorbenen erkennt man die Kultur eines Landes. Was sagt das über uns aus, einem Land mitten im Herzen von Europa, das neben Österreich das strengste Bestattungsgesetz hat und den Bürgern keine freie Gestaltung der Trauer erlaubt. Genau genommen gibt es in Deutschland sogar 16 Bestattungsgesetze, denn jedes Bundesland hat ein eigenes Bestattungsrecht und natürlich auch eine eigene dazugehörige Verordnung zur Durchführung des Bestattungsgesetzes. Es wird seit Jahren über den Wandel in der Bestattungskultur berichtet, aber tatsächlich ist nichts passiert, oder?
Seit gut zehn Jahren versuchen Firmen wie FriedWald, Waldbestattungen in Deutschland zu etablieren. Die Ruhe im Wald, die Schönheit der Natur, weg vom Friedhof und dessen Folgekosten, die für Familien kaum noch zu tragen sind, werden verstärkt gewünscht. Das kommt an, auch wenn sich Bundesländer wie Thüringen und Sachsen bisher erfolgreich gegen die Eröffnung von Bestattungswäldern wehren konnten. Der Wunsch nach etwas Besonderem ist in der Bevölkerung vorhanden, aber wie weit geht dieses Bedürfnis?
Friedhofszwang für Urnen
Das Bundesverwaltungs- und das Bundesverfassungsgericht haben Mitte der 70er Jahre geurteilt, nein, dieses Bedürfnis der Deutschen gebe es nicht. Ein Hinterbliebener hatte den Wunsch eine Urne eines Angehörigen mit nach Hause zur Familie zu nehmen, genau das wurde durch das Gericht mit einer, schon damals diskussionswürdigen Entscheidung, untersagt. Die höchsten deutschen Gerichte stellen zwar fest, dass der Friedhofszwang für Urnen gegen das Grundgesetz verstoßen könnte, aber dieses hingenommen werde müsse, weil die Mehrheit der Bevölkerung daran Anstoß nehmen würde, wenn eine Urne in der Nachbarwohnung stehen würde. Es stellt sich die Frage, ist das so, sind wir anders als alle anderen Europäer?
Nein! Das Bestatter Preisvergleichs Portal funera.de hat sich dieselbe Frage gestellt und hat sich diese durch eine repräsentative Umfrage durch das renommierte Meinungsforschungsinstitut EMNID beantworten lassen. So gut wie keiner der Befragten (89%) würde Anstoß daran nehmen, wenn ein Nachbar eine Urne bei sich zu Hause aufbewahren würde. Das erstaunliche bei der Befragung war, dass sich diese Zahl in den verschiedenen Altersgruppen nicht unterschied. Eine weitere Frage war, ob sie selbst gerne eine Urne mit nach Hause nehmen dürften. Das beantworteten wieder völlig altersunabhängig 30 % der Befragten mit einem „Ja“.
Die Zukunft des Bestattungsrechts
Die neue Grün-Schwarze Regierung in Baden-Württemberg beabsichtigt das Bestattungsgesetz zu modernisieren. Tatsächlich wird sich aber wieder mal nichts im Bezug auf den Friedhofszwang ändern, lediglich die islamische Bestattung, also eine Beisetzung ohne Sarg sondern in Tücher gehüllt, soll nun erlaubt werden. Eine längst überfällige Neuerung, wenn man bedenkt, dass ca. vier Millionen Menschen in unserem Land dem Islam angehören. In anderen Bundesländern ist diese längst überfällige Änderung des Bestattungsrechts schon vor Jahren vollzogen worden. In Baden-Württemberg sind die Wünsche der Bevölkerung bekannt, werden auf Nachfragen aber nicht mit in die neue Gesetzgebung mit einfließen. Die Begründung dafür ist die Befragung einer Expertengruppe, die offensichtlich zu einer ganz anderen Einschätzung kam.
Wer ist überhaupt diese fragliche Expertengruppe und aus wem besteht sie? In der Regel sind das Vertreter der drei großen Religionsgemeinschaften sowie Vertreter der Bestatter- und der Friedhofsverbände. Die Bezeichnung Expertengruppe ist daher sehr gewagt und würde eher die Bezeichnung Lobbyistengruppe verdienen, wenn man berücksichtigt wie viel Geld mit Trauerfeiern, Friedhöfen und der dazugehörigen Peripherie umgesetzt wird. Ein Beispiel, es ist keine Seltenheit mehr, dass Provisionen für Grabplätze an Bestatter gezahlt werden.
Das hat sich wohl auch Bremen, Deutschlands kleinstes Bundesland, gedacht und macht einen großen Schritt im Bestattungsrecht und will den Friedhofszwang für Urnen aufheben. In welchem Umfang und zu welchen Bedingungen ist noch nicht klar, aber dass sich dort in Kürze etwas ändern wird, ist sicher. Mit Interesse bleibt abzuwarten, wie die anderen Bundesländer reagieren werden, wenn die trauernde Witwe in Bremen die Urne ihres kürzlich verstorbenen Ehemannes mit nach Hause nehmen darf, aber in Niedersachsen einer Witwe ein Bußgeld droht, wenn eine Urne nicht unverzüglich durch einen Bestatter beigesetzt wird.
Kirche beharrt auf veraltete Traditionen
Es ist in der Tat viel passiert, aber bisher nur in den Köpfen der Deutschen, die durch die gewonnene Mobilität und Globalisierung andere Kulturen und Gewohnheiten kennen und schätzen lernen durften. Die christliche Kirche in Deutschland bleibt in ihrer starren Tradition verhaftet und meint, dass Trauer öffentlichen Raum braucht. Sie wirbt für ihre gewinnbringenden Friedhöfe, damit sich auch die sehr häufig zitierten „Kegelbrüder“ von einem Dahingeschiedenen verabschieden können. Die Kirche übersieht dabei leider, dass Trauer eine ganz intime und familiäre Angelegenheit sein kann und steht mit ihrer Überzeugung auch im Widerspruch zu unserem Grundgesetz in dem die Persönlichkeitsrechte und die Familie an oberster Stelle stehen.
Es bleibt zu hoffen, dass das Beispiel von Bremen Schule macht und die anderen Bundesländer schnell nachziehen werden, denn auch die Gleichbehandlung und die eigene Weltanschauung sind Grundrechte, die wir öfters wahrnehmen und auch anderen zugestehen sollten.
Herr Peter Hakenjos ließ uns am 20.1.2022 nachstehende Zuschrift zukommen:
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Interesse habe ich gelesen, dass Sie am 5.6.2015 über den Friedhofszwang berichtet haben. Ich lebe in Baden-Württemberg und habe gegen den Friedhofszwang sowohl eine Verfassungsbeschwerde als auch eine Petition eingereicht. Wir können davon ausgehen, dass die Friedhofspflicht in mehreren Bundesländern fallen würde, würde sie in BW kippen.
Es wäre schön, Sie könnten über mein Bemühen berichten. Das Interesse für dieses Thema ist immer noch vorhanden und das Thema noch immer aktuell.
Hier ein Link zu meinen Unterlagen (Onedrive-Cloud): https://1drv.ms/u/s!Atcq8RzZINRZgbROXqzG5L3DjUtGZA?e=w2ebeD
Eine Unterschriftenaktion soll meine Petition begleiten: https://www.openpetition.de/!cfgnl
Artikel über das Bemühen zur Abschaffung der Friedhofspflicht sind in den Badischen Neuesten Nachrichten und im Mühlacker Tagesblatt erschienen.
https://bnn.de/karlsruhe/pfinztal/pfinztaler-legt-verfassungsbeschwerde-gegen-den-friedhofszwang-ein-tod-urne-bestattung-garten
https://bnn.de/karlsruhe/pfinztal/friedhofszwang-bestattung-asche-bestattungsgesetz-verfassungsbeschwerde-gerichtshof
https://bnn.de/karlsruhe/pfinztal/friedhofszwang-kritik-peter-hakenjos-brief-winfried-kretschmann-urne-bestattung-asche-gericht
Für Rückfragen stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung.
Freundliche Grüße aus Pfinztal (zwischen KA und PF)
Peter Hakenjos
Peter J. Hakenjos, Durlacher Weg 56, D-76327 Pfinztal – 07240/5742
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