Die Idee, Bier als bekömmlich zu bezeichnen, ist nicht abwegig. Das dachte sich auch ein Allgäuer Brauereibesitzer.
Für die einen ist Bier bekömmlich, für die anderen so gar nicht. Wiederum andere machen das „bekömmlich“ an der getrunkenen Menge fest. Dennoch ist die Idee, Bier als bekömmlich zu bezeichnen, nicht abwegig. Das dachte sich auch ein Allgäuer Brauereibesitzer. Auf seiner Website hatte er drei seiner Bierspezialitäten unter anderem mit dem Attribut „bekömmlich“ beworben. Ein Wettbewerbsverband mahnte den Brauer deshalb ab. Was war der Grund?
Gesundheitsbezug ab 1,2 Prozent riskant
Für Getränke, die auf ihr Volumen bezogen mehr als 1,2 Prozent Alkohol enthalten, unterliegen in der EU einer besonderen Regelung. Die sogenannte Health-Claims-Verordnung verbietet in Zusammenhang mit ihnen gesundheitsbezogenen Angaben in der Werbung und auf Etiketten bzw. Verpackungen. Lediglich nährwertbezogene Angaben sind hier erlaubt, sofern der Alkohol- oder Kaloriengehalt des Getränks reduziert ist bzw. ein geringerer Alkoholgehalt vorliegt. Das Wörtchen „bekömmlich“ passt dazu nicht. Zudem hätten die genannten Kriterien auch nicht auf die normal gebrauten Biere zugetroffen.
Darum ging es dem Wettbewerbsverband auch nicht. Für ihn handelte es bei „bekömmlich“ vielmehr um eine gesundheitsbezogene Angabe. Und für diese hätte es angesichts der von den Biersorten überschrittenen 1,2 Prozent-Schwelle ohnehin keine Ausnahme gegeben. Aus Sicht des betroffenen Brauereibesitzers Clemens Härle sah das natürlich anders aus. Seine Interpretation von „bekömmlich“ war vielmehr im Sinne von „gut fürs Wohlbefinden“ gemeint.
Bekömmlich meint verträglich
Doch das zur Klärung der Frage „Gesundheitsbezogen, oder nicht?“ angerufene Landgericht (LG) Ravensburg ließ sich davon nicht überzeugen (Urteil v. 25.08.2012, Az.: 8 O 34/15 KfH). Zur Entscheidungsfindung blickte es in den Duden und Wahrigs Deutsches Wörterbuch. Im Duden stand dort bei „bekömmlich“: „leicht verträglich, gut verdaulich [und daher gesund]“. Im Wahrig war unter anderem zu lesen: „eine bekömmliche Mahlzeit“, „fette Speisen sind schwer bekömmlich“. Außerdem sei die Definition der Health-Claims-Verordnung weit auszulegen. Ein „lockerer“ Zusammenhang mit der Gesundheit genüge bereits. Das „bekömmlich“ beim Bier zu verwenden, müsse der beklagte Brauer daher unterlassen.
Wein weniger bekömmlich als Likör
Das Bier ist nicht allein im Club der nicht „bekömmlichen“ alkoholischen Getränke. Auch ein Wein musste das Attribut bereits wieder abgeben. Eine Winzergenossenschaft wollte damit auf dessen geringe Säure hinweisen. Doch das Bundesverwaltungsgericht hat den Weinbauern einen Strich durch das „bekömmlich“ gemacht (BVerwG, Urteil v. 14.02.2013, Az.: 3 C 23/12).
Da mutet es kurios an, dass ausgerechnet ein Getränk mit immerhin 27 Prozent Alkohol sich als „bekömmlich“ bezeichnen durfte. Und das sogar höchstgerichtlich entschieden durch den Bundesgerichtshof (BGH). In den Genuss kam ein Kärntener Kräuterlikör. Der BGH interpretiert „bekömmlich“ dabei verständlicherweise anders als die anderen Gerichte. Ihm zufolge verbinde der allgemeine Sprachgebrauch „bekömmlich“ mit nicht belastend bzw. nicht beeinträchtigend. Auf den Körper und dessen Funktion bezogen, ergebe sich daraus keine gesundheitsfördernde Implikation. Allerdings gibt es auch beim BGH Grenzen. Denn „wohltuend“ durfte der Likör nicht sein, da das wiederum eine gesundheitsfördernde Wirkung andeute.
Ob auch Bier doch wieder „bekömmlich“ sein darf, steht daher noch nicht fest. Angesichts des schon in den 30er-Jahren des letzten Jahrhunderts von der 1897 gegründeten Brauerei zur Werbung ihres Gerstensafts verwendeten Begriffs hat der vor dem LG Ravensburg unterlegene Brauereibesitzer jedenfalls den Schritt in die nächste Instanz angekündigt.
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